25 Aug 2007

Vom Tagesschönen

tagesschoen

Jana Seehusen

Zeichnungen, Montage, Installation
25. August – 21. September 2007MITTEN IM VERSUCHSFELD: Wenn man versucht, sich den künstlerischen Arbeiten von Jana Seehusen zu nähern, fällt die Wortwahl nicht von ungefähr auf das Begriffsfeld des Versuchs, denn sowohl ihre Selbstbeschreibungen der eigenen Arbeitsweise als auch ihr Umgang mit dem ausgewählten Material erinnern an eine Labortätigkeit im Bereich mentaler Produktion und Rezeption. Hier ist von Basismaterial und Substraten die Rede, von Fragmenten und vom Prozess, von Isolation und Montage.

Der erste tätige Schritt beinhaltet die aufmerksame Wahrnehmung des Alltäglichen, den Blick auf die beständige Benachrichtigung in Gestalt der Tageszeitung, der das Bild in Abkopplung vom Text abgerungen wird. Darauf folgen das Ausstanzen, Markieren und Isolieren als nächste Schritte, in denen allererst die Eigenheiten und Materialitäten von Bild und Text in ihrer Schönheit und ihrem Schrecken ausgestellt werden. Die sehr eigene Bildsprache und eine fast poetisch zu nennenden Kreativität bei der Wahl der Überschriften in der bearbeiteten Zeitung erleichtern hierbei die Suche nach der ästhetischen Qualität des aufgefundenen Materials. Doch der nächste Schritt steht noch aus: die Re-Komposition nach der De-Konstruktion.

All diese Schritte lassen sich in den Arbeiten von Jana Seehusen in verschiedenen Stadien und neu montierten Formen finden. In den von der Künstlerin so genannten Substraten – den Tages- oder Überschriftensubstraten („vom tagesschönen“) – werden beispielsweise die vorgefundenen Textfragmente zu neuen und narrativen Linien zusammengesetzt. Diese Linien finden sich in anderen Arbeiten, den „wortbars“, als Konstellationen wieder, spinnennetzartig und sternenbildergleich. In Weiterführung werden immer aufs Neue alle orientierenden Informationen geschwärzt: kein Name, keine Schlagzeile, kein Hinweis auf Zuordnung überdauert (in „wortbar_04“). Doch die ausgestrichenen, negierten, dem Blick entzogenen Textteile sind nicht verloren, tauchen an anderer Stelle in neuer Anordnung wieder auf, entkoppelt, dekonstruiert, neu zusammengesetzt und dem umherwandelnden Besucher zu Gehör gebracht. Denn maßgeblich und notwendig bezieht jedes dieser Formate den Betrachter, Zuhörer und Ausstellungsgast auf unterschiedliche Weise in die installierten Versuchsanordnungen mit ein. In der audio-visuellen Arbeit „ich ist eine andere“ findet man sich beispielsweise inmitten einer choreographierten Rauminstallation wieder, in der man zum Teil der Anordnung wird, angeleitet durch die narrativen Fetzen der nun neu hörbaren und durch den Raum huschenden Textfragmente. Die neuesten Arbeiten, die Panoramabilder der Serie „endlich diese wirklichkeit“, setzen wiederum die Auseinandersetzung mit dem Stereotyp, mit den Bildcodes der verwendeten und auf Ähnlichkeiten untersuchten Pressebilder fort. Was sich in „feindbar“ in Bewegung befand, wird hier im Panoramabild fest-gestellt und auf diese Weise allererst sichtbar gemacht: die an uns vorbeiziehenden Horizonte medialer Inszenierungen.

Dabei stellen alle diese Versuche tatsächlich Angebote dar, die eher Potentiale ausloten, als festgelegte Lesarten nahe zu legen. So bleiben sie spielerische Offerten, die – gemäß dem mehrfach in den Titeln verwendeten Suffix ‚-bar’ („wortbar“, „feindbar“) – etwas Mögliches anzeigen im Gegensatz zu etwas Eindeutigem. (…) Es kann sich nur um eine Suche handeln, und zwar um die nach dem Schwung der eigenen Signatur im Labor der Realitäten.

Veronika Darian

web-jana
Ausstellungsansicht, Jana Seehusen, Vom Tagesschönen, Projektraum|Kunsthaus Erfurt, 2007

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